SLANCIO

12. May 2019

Die Flughafengesellschaft von Venedig SAVE hatte den internationalen Wettbewerb zur Realisierung eines Kunstwerks für den Außenbereich des Flughafens 2012 ausgeschrieben.
Aus den zahlreichen Teilnehmern an der ersten Phase des Wettbewerbs 2013 wurden von der Kommission zehn Finalisten ausgewählt, darunter Künstler und Architekten wie Giacomo Tringali und Massimo Mazzone, Ogata Yoshinobu, Riccardo Cordero, Giancarlo Marchese, Claudio Capotondi, Vittorio Gentile, Sergio Capellini, Arturo Vittori e Andrea Voegler, Antonio Follina, Antonio Caselli. Diese wurden in der zweiten Phase eingeladen, ein Projekt zu erarbeiten und ein Modell herzustellen.


Gewinner wurde die Gruppe TRINAGLI–MAZZONE
 mit dem Projekt „Slancio“.
„Slancio“ – zu Deutsch Schwung, Anlauf – befasst sich mit der historischen Sonderstellung Venedigs und mit dem Fliegen. Die Form des Werkes – eine „konstruierte Skulptur“, nicht modelliert und auch nicht in Stein gehauen – setzt die Lehre der großen italienischen Metallskulptur fort, wie sie Carrino, Lo Savio, Burri, Legnaghi und Minoli vertreten. Es fügt sich in den funktionalen architektonischen Raum ein und respektiert die Atmosphäre der Lagune.

Die Skulptur

Nicht selten leiden die Werke, von welchen in öffentlichen Wettbewerben
für Kunstwerke gefordert wird, architektonische und städtebauliche Bauten zu „verschönern“, unter den Vorgaben der Ausschreibungen. Meist sollen sich ein gelehrter Hintergrund, ein feierlicher Anlass, eine dekorative Funktion oder Ähnliches manifestieren, das Werk soll symbolische Werte evozieren, identitätsstiftend oder monumental sein. Es handelt sich dabei um vormoderne Konzepte der Bildhauerei, von der sich die moderne Plastik abhebt, indem sie ganz im Gegenteil dazu an der „funktionalen Konstruktion des Ortes“ arbeitet. Wie die Architektur der Moderne gehorcht diese moderne Skulptur einem Prozessualismus und Rationalismus, der sich in der Klarheit der Geometrie widerspiegelt.

Im Fall von „Slancio“ erlaubt die Ausführung des Werkes eine Lesart auf zwei Ebenen: Einerseits erinnert die Skulptur an die Flugbahn eines startenden oder landenden Flugzeugs, sie lässt sich aber auch mit einem Pflug oder einer Rudergabel assoziieren. Sie knüpft damit – als „Erzählung auf symbolischer Ebene“ – sowohl an die landwirtschaftliche Geschichte der Region, als auch an die Schifffahrts- und Industrietradition Venedigs an.

Die Ausschreibung des Wettbewerbs enthielt folgende Forderungen:
Das zu verwirklichende Werk soll eine Skulptur sein, deren Grundelement kreativer Natur im Sinne einer gleichzeitigen Gegenwart von Originalität und objektiver Neuigkeit ist. Der Wettbewerber soll in der konkreten Skulptur den nie erloschenen Geist ausdrücken, der die Grundsteinlegung des Internationalen Flughafens Marco Polo am 29. März 1958 beseelte. Gesegnet von seiner Eminenz Kardinalpatriarch von Venedig* sollte der Flughafen auf den Luftwegen den Ruhm der Schiffe von San Marco und Italiens erneuern. (Der Patriarch von Venedig war am 29. Mai 1958 der zukünftige Papst Johannes XXIII, der Gute Papst.)
Andererseits – ein ebenso wichtiger Gesichtspunkt wie der erste – besteht „Slancio“ aus einem dreieckigen Prisma aus CorTen-Stahl, das eine schraubenförmige Kurve, eine Spirale beschreibt. Das Prisma steigt aus dem Boden hervor, wo sie im Untergrund in einem soliden Fundament aus Beton verankert ist. Der Beton, wenn auch von oben nicht sichtbar, wird von Mikropfählen gestützt, womit er auf das Pfahlfundament verweist, auf dem die Stadt Venedig selbst steht.

Vom Symbolischen zum Esoterischen

Vom verjüngten Befestigungspunkt am Boden steigt die Skulptur erst diagonal, dann eine weite Ellenbogenkurve beschreibend, wie eine Sichel im Himmel, in neun Meter Höhe auf. Die Skulptur korrespondiert mit seiner rostroten Farbe, die aus der Verwendung von CorTen-Stahl Typ A resultiert, harmonisch mit dem Ziegelsteinrot des schönen Flughafengebäudes des Architekten Gian Paolo Mar und wird in den Abendstunden von zwei schmalen Lichtstrahlen illuminiert, die die Schlängellinie des Objekts betonen.
Die Skulptur wurde vollständig in der venezianischen Region hergestellt und zwar von der Firma Tecnostrutture in Noventa di Piave mit langjähriger Erfahrung in Stahl- und Betonbau.

Die Autoren

Das Siegerteam besteht aus dem Bildhauer Giacomo Trinagli (auch Gewinner des öffentlichen Wettbewerbs um die Bibliothek von Cles in Trento)

und Massimo Mazzone (Autor von „Nuvola Rossa“, „EUR Floating Space“ und „Piazza Project“ in Eindhoven, Niederlande, mit Massimiliano Fuksas; und Professor für Techniken der Bildhauerei an der Akademie der Schönen Künste Brera, Mailand)

sowie hervorragenden Mitarbeitern wie dem Ingenieur Andrea Imbrenda aus dem Studio Progres Engineering (Gewinner des Excellence in Structural Engineering Award des National Council of Structural Engineers Associations 2014 in den Vereinigten Staaten); dem Architekten Federico Dal Brun, verantwortlich fürs grafische Design; die Architekten von AIR, verantwortlich für die 3D-Modellierung der Skulptur; sowie Osvaldo Tiberti und Michele D’Agostino, zwei junge tüchtige Bildhauer, welche die Modelle der Skulptur verfertigt haben. Weitere Mitarbeiter, die am Project Management, an den Studien zur Patina in Meer- und Industrieumgebung sowie um die Kommunikation mitgewirkt haben: Emiliano Coletta, Antonella Conte, Laura Cazzaniga, Alessandro Zorzetto, Giulia Mazzorin und Barbara Marzoli.

Die Skulptur wird Ende des Jahres 2014 in den vor den Abflugschaltern angelegten Beeten aufgestellt. Am 13. September 2014, 18 Uhr, fand im Studio AIR Architects in Rom, Via Casilina 110, eine Präsentation mit Aperitif statt. Eine weitere Vorstellung des Projektes fand am 14. September im Saroli Club von Castelgandolfo, via Spiaggia del Lago 17, für diejenigen statt, die sich vertiefend über die innovativen technischen Besonderheiten des Werkes informieren wollten.